Andreas Grosz Der Autor Von April 2000 bis März 2010 lebten Andreas Grosz und Beatrice Maritz im Urner Bergdorf Unterschächen. In Form einer gleichsam horizontal und vertikal konstruierten Textarbeit legt der Autor nun den ersten Teil einer Sammlung von Bruch- und Fundstücken aus diesen Jahren vor. Sie »Dieses Buch ist ein so bewegendes Dokument des Gefühls der Krise, mit dem wir im Moment leben, weil es ganz stoisch notiert, was sich vor unseren Augen und Ohren zurückzieht. Die heimatlich vertrauten Klänge, Farben und Gerüche der einmal auf Frühling, Sommer, Herbst und Winter datierten Wahrnehmungen. Das jahreszeitlich bestimmte Gebaren der Tiere und Pflanzen. Die Welt des ›ewigen‹ Schnees. Die Geschichten der Lebenden und der Toten, von der lebenslang geliebten Großmutter bis hin zu vielfältigen Schicksalen aus dem Schächental. Die (angeblich angeborene) Sicherheit bezüglich des eigenen Geschlechts. Die einst als selbstverständlich wahrgenommene Kraft der Religion. Die (nicht mehr genau unterscheidbaren) Gegebenheiten der Imagination gegenüber denen der Realität. Sogar scheinbar nebensächlich daher Erzähltes bekommt den bangen Klang des Verlustes. »Es gibt bekanntlich immer wieder diesen berühmt-berüchtigten Autoren-Traum vom großen, alles umfassenden Produkt. Ein gedrucktes Werk, in dem man sich selber mit seinen Beobachtungen, Gedanken und Erlebnissen, ja die ganze Welt mit ihrem Leben und Geist, mit all ihrer Liebe und ihrem Hass, mit Vergangenem, Gegenwärtigem, aber auch Zukünftigem abbilden, ja nacherzählen möchte. Es ist ein verrückter Traum vom geradezu absoluten Buch. Denn zwischen den Pappdeckeln hat eh nur immer ein begrenzter Ausschnitt von all dem Platz. Und so ist denn die neuste Publikation von Andreas Grosz mit dem atheistisch anmutenden Titel Zwei gottlos schöne Füchslein gerade so ein erträumtes Buch geworden, ein allumfassender Abschnitt seines Lebens in den ›Schächentaler Jahren‹. Unglaublich, was sich in diesem ausschnitthaften Jahrbuch alles auffinden, ja, als was es sich alles lesen lässt: als eine präzise Natur-Seh-Schule, Traumnotate, ein Diarium der Selbstbeobachtung, eine Art Totenbuch oder als künstlerische Aufzeichnungen, ethnographischer Reisebericht, Familienerzählung, ebenso wie als Dorfgeschichte und religiöse Selbstvergewisserung. Ein schön gestalteter Band, angefüllt mit Sprachspielerei, Sprichwörtlichem, Philosophemen, Aphoristischem, Literaturbetrieblichem und vermischten Nachrichten aus aller Welt. Er ist voll mit reichhaltigen Lesefrüchten, Ängsten und fragloser Zuversichtlichkeit. Er ließe sich gebrauchen wie ein Idiotikon (also als Dialekt-Herkunfts-Wörterbuch) oder, wie es im Französischen so schön heißt, als Sottisier (also ein Abbild von menschlicher Alltags-Beschränktheit). Es ist ein Werk, das einen als Lesenden in der Spannung zwischen Idylle und Katastrophe regelrecht bannt. »Das Buch hat sechs Kapitel – April bis September –, in denen die Notizen aus den ganzen zehn Jahren zum jeweiligen Monat versammelt sind, eine ›horizontal und vertikal konstruierte Textarbeit‹ also, in der es vorkommen kann, dass die Großmutter, nachdem sie in den späten Augustnotizen verstorben ist, früh im September wieder auf der Veranda Wespen mit Obst und Konfitüre füttert. […] Ihr Tod wiegt schwer wie auch der Verlust von vielem, was in der sicher ändernden Welt untergeht, im Schächental besonders augenfällig: das Verschwinden der Gletscher. Der ewige Schnee schmilzt: ›Der Schächen ist am Abend grau. Keine gute Nachricht vom Grießgletscher. Er blutet weiter aus, sein Blut ist grau. Er verliert an Gewicht und Würde. Unter dem Schutt aber noch der schwarze Körper, ein Schatz, ein in vielen Wintern angelegter Vorrat, der nun, wie vieles andere auf dieser Welt, rasend rasch verzehrt, vergeudet, verschleudert wird, wie die Schätze der Meere, der Wälder, der Böden.‹ Diesem verschwenderischen, schnellen Leben setzt Grosz in seinem Buch ein anderes entgegen: Er gibt den Träumen Raum und nimmt sich Zeit zum Schauen und Schweifen. Es gibt in diesem Buch freie Nachmittage, lesend im Schatten von Sonnenblumen verbracht, und sogar das Warten – ›mit wachsender Geduld, wachsender Sorglosigkeit‹ – hat seinen Wert. ›Eine großblättrige Wärme‹, Sorgfalt und Ruhe ist in diesen Notaten, und was wohl das Schwerste ist, wie Grosz vermutet, nämlich ›Das Leben leicht- und doch ernstnehmen‹, das gelingt ihm in diesem schönen Buch großartig: ›Der Mensch, das Ebenbild Gottes. Die Vogelscheuche: das Ebenbild des Menschen.‹« »Ein Buch voller Poesie über die Menschen, die Natur, das Leben und den Tod …«
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